Brigitte Windt

Texte und Illustrationen zum Selbstständigsein Berlin

Vorsicht, Patriarch!

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Weil es immer noch ein Thema ist

Vorsicht! Die Spezis der Vaterrechtler und Alleinherrscher weilt noch unter uns. In den Familien und an so manchen Arbeitsplätzen. Erstaunlich, dass sie sich bis heute gehalten haben! Zumindest als Einzelexemplar. Als Bruder, Vater, Großvater, Urgroßvater. Sie gehören doch in längst vergangene Zeiten!

Treffen Sie eins dieser Auslaufmodelle in Gestalt Ihres Partners oder Ihres Chefs, dann geht es zur Sache. Ab diesem Tag werden Sie überwiegend über ihn sprechen und all seine Unmöglichkeiten und Unzumutbarkeiten zum Inhalt Ihrer Gedanken und Emotionen machen. Sie werden leiden, wütend sein und traurig. Sie werden sich aufreiben, an ihm verzweifeln, sich die Haare raufen und triumphieren, wenn Sie ihn kurzweilig überlistet haben.

Je besser Sie als Urenkelin, Enkelin, Tochter oder Schwester konditioniert sind durch Erfahrungen Ihrer Kindheit und Jugend, desto perfekter werden Sie ins Spiel einsteigen. Sie werden den Patriarchen nähren, solange Sie mit ihm zusammen sind. Und weil Sie ihn nähren wie eine Mutter ihren Fötus, stellen Sie ihm Ihre Lebenszeit und Ihre Lebenskraft zur Verfügung. Hat er sich erst einmal eingenistet, wird er fordern. Täglich etwas mehr. Bis es das Maß von Unerträglichkeit erreicht hat. Treffen Sie auf Leidensgenossinnen, werden Sie nicht enden wollenden Gesprächsstoff haben. Hier verzichte ich auf nähere Beschreibungen erfolgreicher Katastrophen dieser Art. Aus gutem Grund.

Bitte halten Sie jetzt inne!

Setzen Sie sich in einen der roten Sessel im mittleren Parkett und schauen mit reichlich Abstand auf das Spiel, das sich Ihnen darbietet. Betrachten Sie die Bühne Ihres Lebens. Der Patriarch schlägt den Ball. Sie fangen ihn auf. Schlagen ihn zurück. Und so geht es in einem fort. Es gibt Regeln, die Sie beide befolgen. Manchmal sind sie offensichtlich, wortgewaltig auf den Tisch gestellt oder unüberwindbar in den Raum. Oft sind sie subtil und niemals ausgesprochen. Dann winden sie sich wie falsche Schlangen um Kehle, Hände und Füße bis zur Handlungsunfähigkeit ihrer Opfer.

Was sehen Sie aus der Perspektive Ihres roten Sessels? Erkennen Sie die Regeln, nach denen Sie spielen? Ergreifen Sie Initiative! Führen Sie Regie! Ändern Sie die Regeln!

  • Was passiert, wenn Sie aufhören, den Patriarchen zu nähren?
  • Wie viel Zeit geben Sie ihm dann noch?
  • Beginnen Sie jetzt damit, für Ihr Wohlergehen zu sorgen!

Es ist Ihre Lebenszeit! Und Ihre Lebenskraft!

Erscheint ein Patriarch auf der Bühne Ihres Lebens, haben Sie ihn gerufen! Wozu? Weil Sie noch sein altes Bild in sich tragen, das längst vergilbt ist und Sie hindert. Es sind alte Werte von Gehorsam und Anpassung, sogar von Unterwerfung. Ihre persönliche Instanz höchster Weisheit hat sie gerufen, die Figur eines Patriarchen. Damit Sie aufräumen im großen Speicher unsichtbarer Bewegungen. Damit Sie sich Klarheit darüber verschaffen, wer Sie in Wahrheit sind und welche Größe Sie wirklich besitzen. Es geht hier nicht um ihn. Es geht um Sie!

Schreiben Sie ein neues Bühnenstück!

Zeichnen Sie neue Bilder. Und tragen Sie diese ab heute in Ihrem Herzen. Sie spielen die Hauptrolle! Und Sie führen Regie! Und zwar immer mit diesem neuen Gefühl von eigener Aufrichtung und Größe, von eigener Herzlichkeit und Kompetenz. Entwickeln Sie die neuen Bilder täglich weiter. Nähren Sie sich selbst mit Ihrer Kraft und füllen Sie Ihre Zeit mit sich selbst aus. Und applaudieren Sie vom roten Sessel im mittleren Parkett, wenn Sie die neue Rolle richtig gut spielen. Sie werden besser, von Aufführung zu Aufführung. Und dann sprechen Sie darüber und teilen Ihre Freude. Und genießen von Zeit zu Zeit ganz allein die Augenblicke Ihrer Erfüllung.

Autor: Brigitte Windt

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