KEINE SORGE
Brigitte Windt
Keine Sorge. Bitte, keine Sorge. Ich gehe nicht verloren. Meine Bilder gehen nicht verloren. Meine Worte tun das erst recht nicht. Niemals geht jemand oder etwas verloren. Daran erinnern wir uns alle, wenn wir uns erinnern. An die Schwachen und an die Starken, die vor uns waren. An die Leidvollen, an die Kämpfer, an die Kämpferinnen. An die Schreckgespenster und an die Vorbilder der Gegenwart. Während einer U-Bahn-Fahrt. Nur sieben Minuten BVG erzählen Geschichten über Geschichten, die wir sehen können, die wir fühlen können, die wir mit eigenen Erfahrungsbildern vermengen, Fäden für künftige Geschichten weiterspinnen, Fäden verknüpfen mit Ängsten, mit Freuden. Autosuggestiv flüstern wir geheime Codes ins eigene Hirn, kurbeln Emotionen an, mit denen wir Worte ausmalen. In Novembergrau. In Maigrün. In Dezemberweiß. Mit meinem Zeichenstift lege ich eine punschrote Decke um meine Schultern. Das wärmt meinen Geist. Stoppt Kribbeln und Schniefen in der Nasenscheidewand. Wohlig warm schreibt es sich besser. Zeichnet es sich besser. Nein, nein, ich gehe nicht verloren. Skizzierte Linien, Worte und Farben der letzten Tage, alle sind da, alle. Keine Sorge, bitte. Keine Sorge.
Ein Beispiel assoziativen Schreibens